Augen auf!
Spielregeln / / / Juni 2015
Körpersprache-Guru Samy Molcho erklärt, was ein Händedruck über eine Person aussagt und wieso es den perfekten ersten Eindruck gar nicht gibt

Ein kleiner Fingerzeig oder die große Geste? Samy Molcho weiß, wie er mit seinen Händen spricht
Herr Molcho, was ist eigentlich der Unterschied zwischen verbaler Sprache und Körpersprache?
Samy Molcho: Verbale Sprache ist ein künstliches System. Sie verkörpert nicht, was sie aussagt. Aber was uns bewegt, sind Gefühle. Das Wort Emotion bedeutet, dass uns etwas bewegt. Dieses Etwas bewegt auch unseren Körper. Jede Emotion schlägt sich deshalb in unserer Körpersprache nieder. Sie ist unmittelbarer und somit auch schwerer zu kontrollieren. Ein gutes Beispiel ist das Wort »abneigen«. Ich mag etwas nicht, deshalb neige ich mich ab. Der Körper schafft Distanz, die Abneigung wird sichtbar.
Bei Körpersprache handelt es sich also um etwas Unbewusstes?
Molcho: Durch Körpersprache werden Prozesse sichtbar, die in uns ablaufen. Viele Dinge machen wir automatisch. Wir berechnen nicht bei jedem Schritt neu, wie weit der Fuß vor den anderen gesetzt werden muss, damit wir eine bestimmte Entfernung zurücklegen. Diese Denkprozesse laufen automatisch ab. Genauso automatisch lehnen wir uns zurück, wenn wir von einer Idee oder einem Vorschlag abgeneigt sind. Das passiert unbewusst, drückt aber meine innere Haltung aus.
Wie kann ich denn meine Körpersprache positiv nutzen?
Molcho: Menschen sind keine Mathematik und ihr Verhalten nicht immer logisch. Man sagt zwar, die Chemie stimmt, es gibt aber keine Formel, die ich anwende, und jeder vertraut mir. Kommunikation ist ein dynamischer Prozess und funktioniert nur, wenn ich auf die Signale des anderen reagiere. Dazu muss ich die Signale, also seine Körpersprache, verstehen.
Haben Sie ein Beispiel?
Molcho: Wenn ein Kind etwas nicht mag, dann streckt es die Zunge heraus. Wir haben zwar gelernt, dass das unhöflich ist – machen es aber automatisch, wenn wir etwas schlecht finden. Man merkt selbst gar nicht, dass die Zungenspitze ganz kurz zwischen den Lippen erscheint, als ob sie etwas wegschiebt. Zum Beispiel einen Vorschlag. Ein Signal, auf das man reagieren muss.
Sie wollen einen guten Eindruck machen? Dann lächeln Sie!
Samy Molcho
Wie kann ich mit Ablehnung umgehen?
Molcho: Sie dürfen keine Angst vor einem Nein haben. Als Verkäufer muss man herausfinden, was die Bedürfnisse des Kunden sind. Natürlich kann ich mich im Vorfeld informieren, aber das persönliche Gespräch ist viel wichtiger. Ein Nein ist auch immer ein Ja zu etwas anderem. Nur weil jemand keine Hausratversicherung abschließen will, heißt es nicht, dass er keine Versicherung braucht. Vielleicht hat er kein Haus, sondern ein Boot – finden Sie es heraus.
Warum ist das persönliche Gespräch so wichtig?
Molcho: Wenn ich mit Freude bei der Sache bin, sieht man das. Der Körper hat mehr Spannung, mehr Energie. Menschen, die Erfolg haben, sind Menschen mit Leidenschaft. Sie sind begeistert von dem, was sie tun und ihre Energie ist für alle spürbar. Genauso ist es in Verhandlungssituationen oder beim Kundengespräch. Wenn ich es nicht schaffe, den anderen auf der Gefühlsebene anzusprechen, kann ich ihn nicht motivieren. Genau das macht ein guter Vertreter. Sonst würde es ja reichen, dem Kunden eine Broschüre mit allen Informationen per Post zu schicken. Auf der Sachebene wäre der ausreichend, er enthält alle nötigen Informationen. Im persönlichen Gespräch aber, kann der Vertreter die Begeisterung für den Beruf durch die eigene Körpersprache sichtbar machen und den Kunden zusätzlich auf der Gefühlsebene ansprechen.
Der erste Eindruck ist für einen Vertreter sehr wichtig. Gibt es den perfekten ersten Eindruck überhaupt?
Molcho: Sie wollen einen guten Eindruck machen? Dann lächeln Sie! Nein, ernsthaft, Perfektionismus ist das Schlimmste. Einstein sagt, alles ist relativ. Was uns jetzt perfekt erscheint, ist im nächsten Moment unpassend. Ob man auf den anderen gut wirkt, hängt immer von dessen Erwartung ab. Was ich tun kann, ist, mich zu fragen, wie ich wirken will. Dominant, entspannt, kompetent – oder alles auf einmal? Es kommt immer auf die Relation an und nicht auf die Perfektion. Wie wirke ich im Verhältnis zu den Erwartungen meines Gegenübers, darum geht es.
Perfektion ist also nicht nur relativ, sondern auch subjektiv?
Molcho: Genau. Man kann Dinge nur so gut erledigen, wie man eben kann. Bestenfalls erfüllt man die Erwartungen des anderen oder übertrifft sie sogar. Dann ist man für den anderen subjektiv perfekt. Generelle Perfektion gibt es meiner Meinung nach aber nicht. Deshalb sollte man auch keine Angst davor haben, Fehler zu machen. Fehler kann man korrigieren – dafür muss man sie sich aber auch eingestehen.
Ist das ein Problem?
Molcho: Ja, weil viele Menschen sich sofort rechtfertigen. Also nicht sie selbst, sondern die Umstände waren schuld. Das ist die Voraussetzung dafür, dass Fehler wiederholt werden. Man selbst hat ja nichts falsch gemacht, also warum das nächste Mal etwas anders machen? Aber was ist ein Fehler? Vielleicht habe ich eine Information falsch bewertet – zum Beispiel eine Karte falsch gelesen. Dann muss ich meinen Weg korrigieren und mich fragen, warum habe ich die Karte falsch gelesen? Den Zeichner der Karte dafür verantwortlich zu machen, ist dagegen nicht hilfreich.
Welchen Rat würden Sie jedem Versicherungsvertreter geben?
Molcho: Emotionen verstehen heißt nicht, Argumente zu akzeptieren. Das sollte sich jeder Vertreter zu Herzen nehmen. Wenn der Kunde enttäuscht ist, dann kann ich das nicht wegdiskutieren. Auch wenn die Argumente logisch sind. Das Gefühl ist echt, und im ersten Schritt muss er dafür Verständnis zeigen. Fühlt sich der Kunde ernst genommen, ist er auch bereit, die Argumente zu hören, und eine gemeinsame Lösung ist nicht mehr weit entfernt.
1 // Der erste Eindruck

Mit einem Handschlag lässt sich viel ausdrücken: Nähe, Distanz, Unsicherheit oder Dominanz
Schon aus der Begrüßung kann jeder viel über sein Gegenüber erfahren. Kommt der andere mit bereits ausgestrecktem Arm auf mich zu, gibt er mir ganz klar zu verstehen: Bis hierhin und nicht weiter. Er will Distanz wahren. Nimmt er meine Hand und zieht sie zu sich heran, will er etwas von mir. Er zieht mich buchstäblich auf seine Seite.
Aber auch Sie können mit ihrem Händedruck eine klare Position beziehen. Geben Sie doch einmal ihrem Kollegen die Hand und beobachten ihr Handgelenk. Ist es gerade? Oder drücken Sie automatisch die Hand des anderen nach unten? Passiert Letzteres, dann sind Sie eher dominant. Hält der andere dagegen, wissen Sie: Wir sind auf Augenhöhe.
Je nach Situation fällt die Begrüßung anders aus. Zum Beispiel, wenn ich ein Büro betrete. Ich klopfe an der Tür, warte kurz und gehe langsam, aber zielstrebig bis zur Mitte des Raumes. Ich darf nicht überfallartig das Büro stürmen, während der andere noch nicht einmal Zeit hatte aufzustehen – es sei denn, ich bin ein Vorgesetzter. Es geht immer darum, dem anderen auch Raum und Zeit zu lassen, um auf mich zu reagieren. Überrumpeln ist deshalb nie eine gute Taktik.
2 // Die Verhandlungssituation

Freundlich, aber bestimmt: Diese Handhaltung zeigt eine deutliche Grenze auf
Nie die Hände unter dem Tisch verstecken. Wer zu einer Verhandlung kommt, der möchte handeln und braucht dazu seine Hände. Wenn man diese nicht sieht, erweckt man kein Vertrauen, das Handeln passiert im Verborgenen und ist für den anderen unsichtbar. Mindestens eine Hand sollte deshalb immer auf dem Tisch sein. Am besten geöffnet und nicht schlapp wie ein toter Fisch.
Auch die Körperhaltung erzählt einiges. Ist der Mittelkörper offen, strahlt man Selbstsicherheit und Vertrauen aus. Das Signal lautet: Ich habe Vertrauen zu dir, ich wende dir meine ungeschützte Körpermitte zu. Neigt ihr Gegenüber auch den Kopf zur Seite und entblößt die Halsschlagader, zeigt er Ihnen klar sein Vertrauen.
Eine beliebte Haltung sind verschränkte Arme. Sicher, es ist bequem. Aber was biete ich meinem Gegenüber an, wenn ich die Arme verschränke und mich im Stuhl zurücklehne? Nichts. Ich höre mir sein Angebot an, finde dabei aber keinen Reiz zu handeln. Sitzt der Kunde so da, geben Sie ihm eine Broschüre oder ein Getränk in die Hand. Um es zu nehmen, öffnet er seine Arme und ändert so ganz automatisch seine Haltung. Das ist der erste Schritt in Richtung Handeln.
3 // Handfeste Kommunikation

Gesten sind fester Bestandteil der Körpersprache. Die doppelte Pistole heißt: Gleich wird zurückgeschossen
Auf dem Bild sehen Sie eine typische Geste: die doppelte Pistole. Ihr Gegenüber sagt damit: Ich höre aufmerksam zu, aber ich warte nur darauf zurückzuschießen. Sie sollten also gut darüber nachdenken, was Sie sagen. Denn Ihr Konzept oder Vorschlag wird gleich eindringlich auf Schwachstellen geprüft. Ein anderes Beispiel ist der Zeigefinger. Je nachdem, wie ich mit meinem Finger auf etwas zeige, kann ich entweder belehren, peitschen, bohren oder stechen. Versuchen Sie doch mal selbst, mit ausgestrecktem und nach unten deutendem Zeigefinger höflich und nett »Kaffeepause« zu sagen. Es wird Ihnen nicht gelingen oder bestenfalls albern wirken. Dann öffnen Sie die Hand und drehen die Handfläche leicht nach oben – jetzt trinkt Ihr Kollege bestimmt gern einen Kaffee mit Ihnen. Oft nutzen wir auch Stifte als Ersatzfinger, zum Beispiel in Besprechungen.

Samy Molcho, 1936 in Tel Aviv geboren, ist nach seiner internationalen Karriere als Pantomime und Regisseur als Erforscher und Wegbereiter der Analyse der Körpersprache bekannt. Seine Vorträge, Seminare und Bücher zur Körpersprache (u.a. „Körpersprache der Kinder“, „Körpersprache des Erfolgs“, „Alles über Körpersprache“) trugen das Thema ins allgemeine Interesse und Bewusstsein. Samy Molcho ist emeritierter Professor an der Universität für Musik und darstellende Kunst am Max-Reinhardt-Seminar in Wien.
Verlag ARISTON // Körpersprache des Erfolgs // Jubiläums-Ausgabe, erscheint am 28.09.2015 // 12 Euro. Für Samy Molcho ist Erfolg nicht mit Wohlstand und Geld gleichzusetzen. Er definiert Erfolg als erfolgreiche Bewältigung des Alltags und eine Körpersprache des Erfolgs ist demnach die Körpersprache eines in sich ruhenden, souveränen Menschen. Basierend auf seiner jahrelangen Erfahrung und unterstützt durch zahlreiche Fotografien führt er vor Augen, wie eine solche Arbeit an der eigenen Persönlichkeit aussehen kann. Mehr Infos bei Verlagsgruppe Random House: www.randomhouse.de
Seine Bücher sind längst Standardwerke – einen Überblick finden Sie auf www.samy-molcho.de, ein Körpersprache-DVD-Seminar unter www.der-koerper-spricht-immer.de