Kunst der Wertschätzung
Spielregeln / / / Juni 2015

chtzig Profimusiker eines Symphonieorchesters – 80 berechtigte Visionen, wie Mozart klingen soll. Musikeralltag. Der Dirigent sorgt dafür, dass der Zuhörer ein homogenes Hörerlebnis hat und auch die leisen Instrumente gehört werden. »Papa, ich muss dir was sagen!« Intuitiv geht der Vater neben der fünfjährigen Tochter in die Knie. Dem nun geschrumpften Papa kann die Tochter viel leichter erzählen, dass sie ihr Spielzeug kaputt gemacht hat. Familienalltag.
Dirigent und Musiker, Vater und Tochter kommunizieren auf Augenhöhe. Dieser Begriff wird in der Seefahrt im Zusammenhang mit der Berechnung von Abständen und Höhen verwendet. Im sozialen Kontext meint Augenhöhe, die Belange und Werte eines anderen wahrzunehmen, zu verstehen und wertzuschätzen. Werden diese Werte konsequent gelebt, spricht man von Authentizität – Echtheit. Etwas, das genauso zu sein scheint, wie es wirklich ist. Eine wunderbare vertrauensvolle Basis für eine Familie, ein Orchester oder ein Unternehmen.

Pater Anselm Grün, 60, Autor, Referent und geistlicher Berater
Als wirtschaftlicher Leiter der Abtei Münsterschwarzach war der Benediktiner für rund 300 Mitarbeiter verantwortlich
Eine Führungskraft hat die Aufgabe, zu motivieren und zu inspirieren. Sie sollte aber auch eine Linie vorgeben. Außerdem hat Führung die Pflicht, Mitarbeitern ihren Wert zu vermitteln. Allein durch ihre Arbeit gewinnen sie nicht die Wertschätzung, nach der sich jeder Mensch sehnt. Das Problem der heutigen Arbeitswelt sehe ich darin, dass der Druck steigt. Menschen müssen immer mehr leisten – und zwar in immer kürzerer Zeit. Andererseits wächst die Flexibilität. Das ist praktisch, weil viele Menschen einen Teil ihrer Arbeit zu Hause erledigen können. Doch gleichzeitig erwarten ihre Vorgesetzten und Kollegen oft, dass sie daheim für die Firma erreichbar sind. Dadurch verwischt die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit. Und das tut den Mitarbeitern nicht gut. Früher gab es klare Rituale, mit denen sich die Bürotür schloss und die Haustür aufging. Das ist wichtig, um auch geistig da anzukommen, wo wir körperlich sind. Wenn wir die Tür zur Arbeit nicht mehr schließen, stehen wir im Durchzug. Und das schadet Körper und Seele. Für eine Führungskraft ist es wichtig, Verantwortung zu übernehmen. Das heißt für mich nicht, dass ich meine Macht zeige. Führen bedeutet für mich: Leben wecken in den Mitarbeitern. Führungskräfte, die andere kleinhalten, um selbst groß zu erscheinen, verhindern Entwicklung. Was braucht mein Mitarbeiter, um sein Potenzial auszuschöpfen? Diese Frage sollte sich ein verantwortungsbewusster Vorgesetzter stellen.«
Ständige Rückkopplung mit den Mitarbeitern
Der irische Literatur-Nobelpreisträger George Bernard Shaw formulierte es um die Wende zum 20. Jahrhundert herum so: »Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedes Mal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen in der Meinung, sie passten auch heute noch.« Was bedeutet das Beispiel für das Zusammenspiel von Vorgesetzten und Mitarbeitern? Das rechte Maß im Umgang muss immer wieder neu gesucht und gefunden werden. Authentische Führung ist demnach das Ergebnis einer ständigen Rückkopplung mit den Mitarbeitern.
»Wir wollen hin zur interaktiven Führung«, sagt Allianz Personalvorstand Wolfgang Brezina, der dafür die Initiative Allianz in Führung ins Leben gerufen hat. Das Ziel: Chefs, Mitarbeiter und Teams begegnen sich auf Augenhöhe. »Bei der klassischen Führung ruht alle Erwartung auf den Schultern der Führungskraft. Das allein reicht heute nicht mehr«, so Brezina, »auch das Miteinander ist hinreichend zu reflektieren. Es geht darum, wie Mitarbeiter und Führungskraft den Rahmen gestalten, in dem sie zusammen arbeiten.« Sprich: Mitarbeiter dürfen und sollen mehr Verantwortung übernehmen.
Jeder verantwortet das »Wie« der Zusammenarbeit mit
Der Dialog auf Augenhöhe hängt vom Dürfen, Sollen – Können und Wollen ab. Zeit, Beharrlichkeit und Fingerspitzengefühl gehören auch dazu, denn kaum jemand ändert sein eingeschliffenes Verhalten einfach so. Für eine offene Interaktion muss der passende – authentische – Rahmen von Vorgesetzten und Mitarbeitern oft noch erarbeitet werden. Auch andere Unternehmen stellen sich der Herausforderung. Götz W. Werner, Gründer der Drogeriemarktkette dm, sagt: »Die Möglichkeit mitzuwirken und teilzuhaben macht Spaß, erfordert aber auch ein aktives Mitdenken und Mitmachen. Jeder Mitarbeiter trägt ein Stück Verantwortung. Er muss lernen zu fragen – nicht nur wie, sondern auch, wozu er arbeitet.« Mit positivem Effekt: Wer für seine Kompetenz wertgeschätzt wird und eigenverantwortlich arbeiten kann, ist motivierter.
Silvia Neid, 51, Bundestrainerin der Frauen-Fußballnationalmannschaft
Neid betreut das Frauenteam seit zehn Jahren. Die Deutschen gewannen unter ihr 2007 den WM-Titel und wurden zweimal Europa-Meister
Wer an der Spitze eines Teams steht, muss die Richtung vorgeben. Auch wenn der Teamgeist gerade im Sport entscheidend für den Erfolg ist, muss die Führungspersönlichkeit Verantwortung übernehmen. Sie muss Entscheidungen treffen und sich ihre Vorbildfunktion bewusst machen. Trotzdem sehe ich mich als Teamplayerin – mit klarer Aufgabenverteilung. Die Mitglieder meiner Crew müssen absolute Experten in ihrem Bereich sein. Nur so erzielen wir im fachlichen Austausch das bestmögliche Ergebnis. Andererseits sollten die Spielerinnen als Typen zusammenpassen. Neben der fachlichen Qualität spielt also auch die Persönlichkeit eine Rolle. Mir ist wichtig, dass der Umgang von gegenseitigem Respekt und – besonders wichtig – von Vertrauen geprägt ist. In bestimmten Situationen ist für mich ein Perspektivwechsel hilfreich. Dann trete ich von meiner Führungsrolle zurück und verdeutliche mir die Abläufe durch einen Blick von außen, beispielsweise auf Spielszenen. Das tue ich aber nur selten und sehr bewusst. Trotzdem müssen die Spielerinnen auf dem Feld selbst Verantwortung übernehmen, unabhängig davon, dass ich als Trainerin immer dabei bin. Das heißt aber nicht, dass ich von oben auf mein Team herabblicke. Zu meiner Lebensphilosophie gehört der Grundsatz, meinen Mitmenschen auf Augenhöhe zu begegnen. Wenn wir einander mit Selbstbewusstsein und Respekt gegenübertreten und dabei unvoreingenommen und offen sind, können beide Seiten voneinander profitieren.«

Mehr Zeit für Kommunikation
Besonders die viel zitierte »Generation Y«, die sich souverän in sozialen Netzwerken bewegt, bringt andere Ansprüche und ein neues Verständnis von Kommunikation in die Unternehmen. Die Community orientiert sich nicht an Abteilungsgrenzen oder Berichtslinien. Alles funktioniert direkt: Schnell wird eine Info geteilt, dann ein Video weiterempfohlen. Das »Posten, Liken, Sharen« funktioniert fast immer »per du« und unabhängig von Hierarchien oder Titeln. Man diskutiert – chattet – auf Augenhöhe. Dazu wird der Zugang zu Wissen immer einfacher: ein paar Klicks bei Wikipedia hier und einige Anfragen bei Google dort. Jemandem ein X für ein U vorzumachen wird schwerer; Menschen mit einem oberflächlichen Halbwissen zu überzeugen anstrengender. Einer Expertenmeinung – der des Chefs – stehen mindestens zwei weitere gegenüber. Die Folge: »Vor allem die jungen Mitarbeiter fragen zunehmend nach dem Sinn ihres Tuns«, sagt Angelika Huber-Straßer, Bereichsvorstand Corporates bei der Unternehmensberatung KPMG, in einem Gespräch mit dem »Handelsblatt«. Sie rät Managern, die durch neue IT-Systeme gesparte Zeit den Mitarbeitern und der Kommunikation zu widmen. Huber-Straßer: »Von der Führungskraft wird deshalb Empathie und Agilität erwartet. Sie muss Mitarbeiter noch stärker in Entscheidungsfindungen einbinden. Dann wird sie als authentisch wahrgenommen.«

Christian Gansch, 55, Dirigent, Referent und Buchautor
In seinem Buch »Vom Solo zur Sinfonie« analysiert der Musiker die Analogien von Unternehmen und Symphonieorchestern
Ich habe viele große Dirigenten kennengelernt. Egal, wie berühmt sie waren – sie alle führten mit dem Orchester einen Dialog, an dessen Ende das Konzert stand. Ich habe nie einen Dirigenten erlebt, der befohlen hätte: »Spielen Sie leiser!« Stattdessen formuliert ein guter Dirigent es so: »Spielen Sie leiser, sehr geehrte Cello-Gruppe, damit wir Ihre Kollegen an der Klarinette hören.« Wenn keiner weiß, wofür er sich einsetzen soll, dann gibt es keine Selbstmotivation.Im Orchester wie im Unternehmen gilt: Es gibt keine unwichtigen Rollen! Selbst der inzwischen verstorbene Italiener Claudio Abbado interessierte sich für das Triangel. Er versuchte immer, dieses Instrument so einzusetzen, dass es versteht, wofür es da ist. Natürlich kann ein Dirigent während des Konzerts nicht alle gleichzeitig überblicken. Deshalb gibt es in jedem Orchester zehn bis fünfzehn Abteilungen. Das sind die einzelnen Instrumentengruppen. Und jede dieser Abteilungen hat zwei oder drei Führungskräfte mit Stellvertretern. Ein Orchester, das mit 80 Musikern Bruckner spielt, besteht zunächst aus ebenso vielen verschiedenen Visionen. Dafür ist der Dirigent da: um aus den Meinungen und Bedürfnissen von 30 unterschied-lichen Instrumenten Homogenität zu formen. Sonst würden die einen doppelt so schnell spielen wie die anderen, weil sie Bruckner schneller empfinden als andere. Davon merkt man während des Konzerts nichts – das ist schön. Wenn ich mich ins Auto setze, will ich nicht wissen, welche Prozesse im Hintergrund laufen. Ich möchte, dass der Motor anspringt.«
Leistung wahrnehmen und würdigen
Die Allianz hat für mehr Dialog auf Augenhöhe die Initiative Allianz in Führung ins Leben gerufen. Sie soll jeden erreichen – vom Vorstand bis zum Sachbearbeiter. Veranstaltungen wie der Teamdialog geben den ersten Impuls für einen langfristigen Veränderungsprozess. Rita Stark, Abteilungsleiterin in der Betriebsorganisation, berichtet von ihrem Teamdialog: »Führen heißt für mich: kommunizieren, Freiräume schaffen, Ziele setzen und vorangehen sowie Vertrauen schenken. Allianz in Führung ermöglichte es mir, mich intensiv mit meinem Führungsteam auszutauschen. Wir haben dabei einige Punkte entdeckt, in denen wir unterschiedliche Erwartungen hatten. Diese wollen wir zukünftig angehen und damit unser Zusammenspiel verbessern.« Ein offener Austausch: Informationen weitergeben, Fehler einräumen, und bitte den Blick für Geleistetes schärfen und dies würdigen. Wertschätzung wirkt in beide Richtungen: Vom Vorgesetzten zum Mitarbeiter – und auch umgekehrt. Ob es um eine Anerkennung für Standards geht, die im wie selbstverständlich erledigt werden, oder um ein ausführliches Feedback für Sonderaufgaben. Feedback geben – auch darin geht es im Teamdialog bei Allianz in Führung. Gehen die Teilnehmer partiell zuweilen skeptisch in die Veranstaltung, ist das Fazit am Ende überwiegend positiv. Wolfgang Brezina bestätigt: »Nach den ersten Erfahrungen sehen wir: Allianz in Führung eröffnet Chancen – für mehr Offenheit und manchmal auch für einen Neustart.« Denn wie beim Schneider von Bernard Shaw gilt es für Führungskräfte, immer wieder Maß zu nehmen und Bedürfnisse neu zu erfassen.
Generalmajor Jürgen Weigt, 57, Kommandeur des Zentrums Innere Führung der Bundeswehr
Der Diplompädagoge war zweimal als Kommandeur in Hauptquartieren der ISAF in Afghanistan eingesetzt
Ein auf Vertrauen basierendes Wechselspiel von Befehl und Gehorsam und ein der jeweiligen Lage angemessenes Handeln kennzeichnen soldatisches Führen. Das ist dem Umstand geschuldet, dass häufig weitreichende Entscheidungen in sehr kurzer Zeit getroffen werden müssen; das Leben vieler Menschen kann davon abhängen. Es besteht manchmal wenig Raum für umfangreichende Abstimmungsprozesse. Trotzdem bleibt soldatisches Führen immer ein wechselseitiger Prozess; die Führungskraft und der Geführte begreifen, dass Führung nur gemeinsam funktionieren kann. Dabei kommt es nicht so sehr darauf an, welcher Hierarchie-Ebene jemand angehört – solange der Einzelne begreift, welche Aufgaben er zu erfüllen hat. Der Mensch in Uniform ist und bleibt der Träger jeder Veränderung in einer militärischen Organisation. Die wichtigste Voraussetzung, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können, ist ein gemeinsames Wertesystem. In dessen Zentrum muss gegenseitiges Vertrauen stehen. Bei der Bundeswehr wollen wir bewusst Verantwortung delegieren und damit Handlungsspielräume eröffnen, denn militärische Situationen sind mitunter so komplex, dass Einzelne damit überfordert wären. Eine gute Führungskraft fürchtet dabei weder Machtverschiebung noch Autoritätsverlust. Sie hat die Fähigkeit, im richtigen Moment loslassen zu können. Nur dann gibt sie den Geführten das Gefühl, aktiv, selbstständig und eigeninitiativ am gemeinsamen Ziel mitwirken zu können.«

Das Team zur Geltung bringen
Beim Schokoladenfabrikanten Alfred Ritter AG wird ein authentischer Chef als jemand definiert, der das Team zur Geltung bringt. Führungskräfte stellen die Aufgabe und nicht sich selbst in den Mittelpunkt. Und: Authentisch sei eine Führungskraft dann, wenn sie die Werte eines Unternehmens teilt und sichtbar lebt. Das Team zur Geltung bringen, nicht sich selbst – zwar noch eine recht moderne Aufgabe von Chefs, doch bei der Vielzahl von Anforderungen und den immer komplexeren Arbeitsprozessen anders kaum noch realistisch. Die wenigsten Vorgesetzten können noch alle Themen bis ins Detail durchdringen. Das bedeutet: Statt unmittelbar und allein zu entscheiden, geht es für ihn vielmehr darum, den Entscheidungsprozess unter seinen Fachleuten anzuregen und zu moderieren. Der Dirigent ist auf seine Führungskräfte im Orchester angewiesen, da er keine 80 Taktstöcke halten kann. Er braucht sie, damit der Funke überspringt. Den richtigen Ton treffen die Profimusiker dann allein.

Ernst Meister, 50, Ortsbeauftragter beim Technischen Hilfswerk München-Ost
Im Hauptberuf führt Meister einen Betrieb für Gas- und Wasserinstallation. Beim THW ist er u. a. für die Ausbildung verantwortlich
Beim Technischen Hilfswerk arbeiten etwa 80 000 Ehrenamtliche und ein Prozent Hauptamtliche. Statt von Mitarbeitern sprechen wir von Helferinnen und Helfern – auch dann, wenn es sich um eine Führungskraft handelt. Als Ortsbeauftragter stehe ich an der Spitze unseres Verbandes und habe einen Stellvertreter mit seinem Stab sowie zwei technische Züge mit je einem Zugführer. Diese Hierarchie ist nötig, denn vor Ort müssen Zug- oder Gruppenführer eigenverantwortlich entscheiden. In Großschadenslagen gibt es trotzdem viele Absprachen. Örtliche Einsatzleitungen kennen die Gegebenheiten vor Ort. Diesen Einsatzleitungen sind unsere Kräfte unterstellt. Wenn wir in einem fremden Einsatzgebiet zu Gast sind, wie es etwa 2013 bei der Hochwasserkatastrophe in Straubing, Erding und Kolbermoor der Fall war, telefonieren wir viel, um uns abzustimmen. Erst recht, wenn Menschen gerettet werden müssen. Im Einsatz kann es vor allem dann Konflikte geben, wenn die Meinungen auseinandergehen. Zum Beispiel sagt der Zugführer: »Wir gehen nach rechts.« Der Gruppenführer glaubt aber, dass der Weg links besser wäre. Für solche Fälle gibt es im Einsatz klare Regeln: Was der Vorgesetzte sagt, muss umgesetzt werden. Erst im Nachhinein können die Beteiligten darüber diskutieren, ob der andere Weg besser gewesen wäre. In unserem Ortsverband verzichten wir aber auf einen hierarchischen Führungsstil. Wir wollen gleichberechtigt kommunizieren. Der eine kann nicht ohne den anderen: Das ist der Grundgedanke unseres Gerüstes beim THW.«
Auslaufmodell Hierarchie?
Zurück vom Orchestergraben in die Unternehmenswelt. Der ehemalige Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger sagt in einer Studie der Initiative Neue Qualität der Arbeit: »Wir erleben gerade einen Paradigmenwechsel in deutschen Unternehmen. Mitarbeiter erwarten zunehmend andere Menschenführung, Chefs sind zunehmend auf der Suche nach einem anderen Verständnis von Führung. Jetzt fehlt nur noch eine Debatte um eine andere Führung und Steuerung von Unternehmen und Verwaltungen.« Wo mancherorts diese Diskussion noch zu führen ist, ist sie in einigen Unternehmen zu Ende diskutiert: mit zum Teil ungewöhnlichen Ergebnissen. Doch soll nun in jeder Firma jeder Mitarbeiter sein Gehalt frei bestimmen können, wie es bei dem Kleinunternehmer Vollmer & Scheffczyk der Fall ist? Oder wie der Mittelständler Allsafe Jungfalk die Hierarchie abschaffen? Geschäftsführer Detlev Lohmann bringt täglich dort die Post zu seinen 140 Mitarbeitern und nutzt dies zum Austausch. Entscheidungen treffen die interdisziplinär arbeitenden Teams mit ihren Leitern. Dazu nötig: viel Kommunikation. Kann das Beispiel Schule machen? Ist die Hierarchie ein Auslaufmodell und eine »Laissez-faire Mentalität« das neue Rezept für Führung? Jein – würde der Vater als Familienmanager sagen. Muss er seiner kleinen Tochter noch viele Entscheidungen abnehmen, kann die ältere schon freier experimentieren. Doch auch für sie gelten altersgerechte Grenzen, die ihr Sicherheit bieten. Jein – sagt man in der Haufe-Gruppe. Die Freiburger sind nach Unternehmenszukäufen und Beteiligungen heute sehr heterogen aufgestellt. Joachim Rotzinger, Mitglied der Geschäftsführung bei Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, sagt: Der Stil des jeweiligen Hauses und die Ängste der Mitarbeiter müssten berücksichtigt werden. Er nehme eine Doppelrolle ein und wechsle seinen Führungsstil – nicht die Mitarbeiter, sondern er passe sich an die Umstände an. Ein Patentrezept für zeitgemäße Führung gibt es nicht. Dazu ticken Unternehmen und Teams zu unterschiedlich. Und die Menschen sowieso.
Ein Film über und für eine bessere Arbeitswelt ist die 53-minütige Doku »Augenhöhe« . In dem Crowdfunding-Projekt werden Firmen porträtiert, die neue Wege in der Führungskultur gehen. Der Wunsch der Macher: Nachahmer und Mitmacher. Margarete Voll, Projektleiterin der Initiative Allianz in Führung, hat den Film gesehen und mit 30 weiteren Teilnehmern diskutiert: »Es wird von kleineren Firmen oder nur von Teilen von Großkonzernen, wie der Bildungseinheit von Adidas, berichtet. Dennoch: Der Film begleitet die aktuelle Diskussion über die Demokratisierung von Unternehmen und provoziert ein Nachdenken.«