„Junge, du verdirbst dir deine Augen!“
Regio Nordost / / / Oktober 2015
Vom Glück als Rentner Zeit zu haben – oder wie der ehemalige HV Harald Goerke doch noch Autor wurde

ach einem erfüllten Arbeitsleben noch einmal ganz etwas anders tun und sich damit einen lange gehegten Traum erfüllen, das gönnt sich Harald Goerke, heute 78 Jahre alt. Denn der ehemalige Allianz Vertreter konnte sich endlich seinem Lieblingshobby widmen: dem Schreiben. „Schon immer hat mir das Spaß gemacht“, erzählt der gebürtige Dortmunder. „Mit 16 Jahren schrieb ich meinen ersten Aufsatz, der gut gelang.“ Von da an wusste er: „Das ist meine Passion.“ Dann aber auch einen Beruf rund ums Schreiben zu ergreifen, gar Schriftsteller oder Journalist zu werden, kam ihm damals nicht in den Sinn. Der Vater, Bergmann von Beruf, grummelte immer, sobald er las oder schrieb: „Lass das sein, Junge, du verdirbst dir deine Augen!“ Also verschlug es ihn zunächst in die Kohleverarbeitung, dann in den Automobilbau und 1966 schließlich zur Allianz. Eine spontane Entscheidung. Er fragte einfach in der Dortmunder Geschäftsstelle nach: „Kann ich bei Ihnen als Irgendwas anfangen?“ Das konnte er – und schon nach zwei Jahren führte er seine eigene Agentur. In all den Jahren, in denen er seine Kunden pflegte, den Bestand ausbaute, schrieb er weiter. Mehr als 200 Kurzgeschichten entstanden. Seit seinem Ruhestand im Jahr 2000 kamen viele weitere hinzu. Den Stoff dafür sammelt Goerke im Alltag, beispielsweise in der U-Bahn. „Zur Rushhour setze ich mich in die Bahn und fahre von A nach B und zurück – da erlebt man was und hört Sachen, die man sich selbst nicht ausdenken könnte“, erzählt er. Was er am liebsten schreibt? „Geschichten, die gut ausgehen, die harmonisch sind. Das entspricht meiner Lebensphilosophie“, sagt er. Sein erster Roman steht dafür. Eine Liebesgeschichte, auf die Harald stolz ist: 120 Tage Arbeit, 137 Seiten, „mehr sind nicht mein Ding“. Ehefrau Annelore durfte als Erste drüber lesen, kritisieren, korrigieren. Nun liegt er gedruckt vor Goerke. Ein zweiter Roman ist schon in Arbeit. Dafür setzt er sich täglich gegen halb elf früh an den Laptop. Zugeklappt wird der erst wieder gegen 19 Uhr, dann beginnen die ZDF-Nachrichten. „Etwa zwei Stunden schreibe ich effektiv pro Tag“, sagt er. „Ich könnte mindestens zwei Romane pro Jahr schreiben. Sollten mir nun noch zehn Jahre Lebenszeit vergönnt sein, wird aus dem Buch hier noch ein ganzer Stapel werden“, sagt er und freut sich schon auf Roman Nummer drei.