Die Bank aus dem Feuersturm
Regio Nord / / / August 2017
Ein alles aufsaugender brennender Himmel und darunter eine Bank als Ort scheinbarer Ruhe. Das Ensemble aus Gemälde und Bank im Eingangsbereich der Hamburger Allianz zieht zahlreiche gespannte Blicke auf sich. Mit diesem neuen Arrangement will der Künstler Ruben Zickmann auf besondere Weise an den verheerenden Feuersturm im Sommer 1943 erinnern, der sich im kommenden Jahr zum 75. Mal jährt.

Das Ensemble mit dem Künstler – der Maler Ruben Zickmann auf der historischen Bank, die den Hamburger Feuersturm überstand.
„Sodom und Gomorrha“ hat Zickmann sein zwei mal zweieinhalb Meter großes Bild getauft. Eine Flammenhölle, die giftige Gase speit und jedes Leben vernichtet – wie einst der Feuersturm von Hamburg nach den schweren alliierten Bombenangriffen der Alliierten in der Nacht vom 27. auf den 28. Juli 1943. Schätzungsweise 35.000 Menschen kamen bei dem insgesamt zehntägigen Bombardement unter dem Codenamen „Operation Gomorrha“ ums Leben. Bei den bis dahin schwersten Angriffen des Zweiten Weltkriegs durch britische und amerikanische Luftstreitkräfte ging es um Vergeltung für die deutschen Angriffe auf britische Städte, sie sollten die deutsche Stadtbevölkerung demoralisieren und die Rüstungsindustrie treffen. Als Symbol des Überlebens und Überdauerns bildet die Bank den scharfen Kontrast zu dem bedrückenden Inferno auf dem Gemälde.
Das dunkle Holzmöbel, welches manchen an eine wuchtige Kirchenbank erinnert, ist ein besonderes Stück für die Historie der Allianz in Hamburg. Es stammt aus dem Globushof, dem Gründungssitz des Unternehmens in der Hansestadt. Während der Angriffe im Sommer 1943 wurde auch das Hamburger Stammhaus massiv durch Bomben getroffen. Immerhin war der 147 Meter hohe Turm der benachbarten St.-Nikolai-Kirche Zielmarkierung und zentraler Ausgangspunkt für die Flugzeuge bei der „Operation Gomorrha“. Einzig ein Kronleuchter und eben jene Holzbank aus dem Jahr 1908 überstanden als Relikte die Bombennächte im Globushof. Für die Allianz ist es seither ein historisches Anliegen, die Bank zu bewahren.

Fast spürbar – eine Flammenhölle, die giftige Gase speit und alles Leben vernichtet, hat Ruben Zickmann mit seinem Gemälde festgehalten.
„Die Idee, der Bank mehr Aufmerksamkeit zu schenken, hatte mein Vater, als wir Anfang des Jahres zu einer Besichtigung im Haus waren“, berichtet Zickmann. Sein Vater habe vorgeschlagen, eine Infotafel aus Acrylglas mit Fotos vom Feuersturm darüber aufzuhängen und so die Geschichte der Bank zu erzählen. „Ich fand es hingegen interessanter und stärker in der Wirkung, die Bank mit dem Gemälde zu verknüpfen“, so der Künstler.
Die Idee für das Bild hatte Zickmann Anfang November vorigen Jahres zum Ende der Präsidentschaftswahlen in den USA: „Ich arbeite meistens expressionistisch. Und ich stellte mir vor, wie der Himmel bei einem Bombenangriff aussähe und was passieren könnte, wenn Trump an die Macht käme, wie sich für viele die Welt veränderte, wenn sie vielleicht einen ähnlichen Anblick erleben müssten. Man denke nur an den Krieg in Syrien und den Einsatz von Phosphorbomben. So wurde das Bild zu einer wichtigen Brücke, an die Vergangenheit und unsere Geschichte zu erinnern, aber auch zu mahnen, dass so etwas immer noch passiert.“

„Sodom und Gomorrha“ hat Ruben Zickmann sein Bild getauft.
Zickmanns Atelier liegt zudem zwischen den Hamburger Stadtteilen Borgfelde und Rothenburgsort, die vom Feuersturm fast völlig vernichtet wurden. „Ich glaube, dass man als Künstler seine Umgebung, die Gesellschaft und die Geschehnisse in der Welt intensiv wahrnimmt, wenngleich oft unterbewusst, und dieses Empfinden dann in einer eigenen Bildsprache verarbeitet“, so Zickmann.

Die historische Bank hat neben einem Kronleuchter als einziges Objekt den Bombenangriff 1943 im Hamburger Globushof, dem einstigen Sitz der Allianz, überstanden.
Der Maler unterbreitete der Allianz seine Idee. Die zuständige Interne-Dienste-Gruppenleiterin Nike Gutzmer griff den Gedanken begeistert auf – ihre Affinität zur Kunst gab schließlich den Ausschlag, das Ensemble auf den Weg zu bringen. „Für uns eine hervorragende Gelegenheit, eigene Geschichte aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten und an den Jahrestag im kommenden Jahr zu erinnern“, sagt Gutzmer. Das rege Interesse der Allianzer gibt ihr Recht, Mitarbeiter diskutieren bereits das Ensemble. Doch nicht nur zum Diskurs soll es anregen. „Es lädt auch ein, sich auf die Bank zu setzen und einfach mal zu verweilen oder gar das eine oder andere Foto zu machen“, so Gutzmer.

In groben Ziffern ist das Entstehungsjahr der Bank unter dem Sitz festgehalten: 1908.