Mit der Sprühdose zum neuen Allianz Tunnel
Regio Nordwest / / / Juni 2016
Jahrzehnte war er schmutzig und düster, einfach nur hässlich. Und der Volksmund nennt ihn immer noch „Esso-Tunnel“. Viele Hamburger scheuen sich, die Unterquerung des viel befahrenen Jahnrings zwischen City Nord und Stadtpark nach Sonnenuntergang oder in der dunklen Jahreszeit zu benutzen. All das soll sich demnächst ändern: Am 1. Juli wird der neugestaltete Tunnel seiner Bestimmung übergeben. Als künftiger „Allianz Tunnel“ lädt er dann Fußgänger wie Radfahrer mit seinem gänzlich neuen Outfit sogar zum Verweilen ein.

Wandgestalter Philipp Kabbe gewann Hamburger Graffitikünstler für das Projekt
ür Tausende Besucher der nahen Open-Air-Bühne im Stadtpark ist der Tunnel regelmäßig die kürzeste Verbindung zu ihrem Musikgenuss. Im Sommer nehmen unzählige Ausflügler durch die Unterführung den Weg in die grüne Oase Stadtpark. Viele Pendler nutzen ihn auf dem Weg zu ihren Arbeitsplätzen in der Hamburger Bürostadt City Nord. Doch kaputte Lampenkästen, hässliche Schmierereien an den gekachelten Wänden und Schmutz auf dem Boden verleiden seit langem die Passage. Schon seit dem Start der City Nord 1966 verbindet der Tunnel die Bürostadt mit dem Stadtpark. Im Amtsdeutsch ist er als „Fußgängertunnel Jahnbrücke westlich“ ausgewiesen. Wer dies jedoch in die Karten gängiger Suchmaschinen eingibt, hat Pech: Google, Bing & Co. finden hierzu nichts.
„Die Allianz sitzt seit dreieinhalb Jahren in der City Nord in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Tunnel“, sagt Betriebsstättenleiterin Roya Ahmadi. „Deshalb sind wir darum bemüht, unsere Identifikation mit dem Standort ständig zu erhöhen. Und daraus entstand auch die Idee mit dem Tunnel.“ Der Anstoß sei aus dem Förderkreis gekommen. „Wir haben dann Kontakt aufgenommen zu Sylvia Soggia als Verantwortlicher der GIG City Nord GmbH. Auch die zuständigen Gremien der Allianz befürworteten die Idee. Letztlich erhielt der Förderkreis dazu einen Projektauftrag“, berichtet Ahmadi.

Die Allianz beteiligt sich nun zu zwei Dritteln an der Finanzierung und wird dem Tunnel ihren Namen geben. „Diese Namensfindung war eigentlich sehr naheliegend. Wer von der Stadtpark-Seite durch den Tunnel kommt, steht sofort vor dem Allianz Haus“, sagt Soggia. „Die Allianz war für mich darum von Anfang an der erste Ansprechpartner als Hauptsponsor des Tunnels. Ich bin auch sofort auf offene Ohren gestoßen“, fügt sie hinzu. Soggia holte die Politik und das Bezirksamt Nord als zuständige Behörde mit ins Boot, ebenso die Hamburger Verkehrsanlagen für die Beleuchtung.

Roya Ahmadi: Aus dem bisherigen Schandlfleck soll ein Treffpunkt entstehen.
Umgesetzt wird das Projekt durch den Hamburger Wandgestalter und freien Künstler Philipp Kabbe. Er hat für das Vorhaben eine Reihe junger Hamburger Graffiti-Künstler gewonnen, welche wichtige Teile der Wandgestaltung übernehmen. Sie sind mit einem ganz eigenen Part beteiligt. Wie Kabbe erläutert, windet sich ganz unten im Vordergrund ein Band aus blühenden Pflanzen entlang, etwa Rhododendron – ein Symbol für den Stadtpark. Oben im Hintergrund zeige sich eine architektonische Silhouette als Bezug zur City Nord. Dazwischen präsentiere sich ein gutes Dutzend „stadtbekannte Größen des Stylewritings“ mit Zeitzeugnissen ihres Gesamtwerkes, wie Kabbe berichtet. Sie füllen den mittleren Teil mit ihren typischen Schriftzügen. Abgeschlossen wird die Gestaltung nach oben hin mit einem goldenen Himmel. Eine Lichtinstallation passt sich farbig dem Gesamtkonzept an und sorgt je nach Lichteinfall für ein unterschiedliches Farbenspiel.
Die Vor- und Nachbereitung der Flächen liegt in den Händen von Malerschülern der Produktionsschule Steilshoop. „Dazu muss man sagen, dass die Herrichtung des Tunnels keine Auftragsarbeit ist – wir überlassen der Kunst die freie Gestaltung“, betont Soggia. „Dennoch haben wir uns ausgetauscht. Für die City Nord ist der Tunnel tatsächlich ein Kunstprojekt. Und natürlich soll man die City Nord und den Stadtpark wiederfinden.“ Einzige Bitte sei gewesen, dass irgendwo im Tunnel noch Allianz zu finden sei. „Aber wo, das ist vorher noch ein Geheimnis“, sagt Soggia.
Ahmadi begrüßt es, wenn aus dem bisherigen „Schandfleck Tunnel“ nun mit dem künftigen „Allianz Tunnel“ ein Treffpunkt entstehe. „Ich finde es außerdem toll, dass jungen Leuten die Gelegenheit gegeben wird, über einen anerkannten Künstler wie Philipp Kabbe selbst anerkannt zu werden. Manch einer hat früher vielleicht illegal U-Bahnwagen oder Hauswände besprüht. Der Tunnel steht dagegen für den Grundsatz: Ich bin Künstler und suche mir einen legalen Weg für meine Kunst.“ Ahmadi setzt auch auf eine Beispielwirkung der Tunnelgestaltung: „Hier möge der Ehrenkodex in der Szene wirken, dass die gestalteten Flächen nicht gleich übersprayt werden, weil die Künstler in der Hamburger Szene bekannt sind.“
Lesen sie hier Stylewriting kürt neuen Allianz Tunnel