Wir sprechen Ihre Sprache
Regio Südost / / / Oktober 2018
GV Darius Schulz aus Frankfurt und HV Juro Cubela aus München profitieren von ihren ausländischen Wurzeln. Sie bieten ihren Beratungsservice in verschiedenen Sprachen an. Ist das ein Geschäftsmodell oder nur positiver Zusatzeffekt?

Darius Schulz
Welche Sprachen werden in Ihren Agenturen gesprochen und wie kam es dazu?
Schulz: Neben Deutsch sprechen wir Polnisch, Spanisch und natürlich Englisch. Ich bin in Oberschlesien geboren, meine Familie war immer deutsch gewesen und daheim wurde auch Deutsch gesprochen. In der Schule und in meinem Umfeld haben wir uns aber natürlich auf Polnisch unterhalten. 1988 ist meine Familie nach Deutschland ausgesiedelt. Polnisch war bis zu meinem zwölften Lebensjahr also meine Muttersprache, mittlerweile ist Deutsch zu meiner Muttersprache geworden. Englisch ist heute Standard, das habe ich in der Schule gelernt. Falls ich hier mal Unterstützung brauche, hilft eine Kollegin hier aus meiner Bürogemeinschaft mit Andreas Tippelt, die sehr gut Englisch spricht. Das ist extrem wichtig in einer Großstadt wie Frankfurt, hier gibt es viel internationales Publikum. Wir beraten zum Beispiel viele indisch stämmigen Kunden, die als Informatiker in Frankfurt arbeiten. Die sprechen kein Deutsch, hier verständigen wir uns auf Englisch. Und zu Spanisch kam ich schließlich über meine Frau, die Spanierin ist. Ich bin sehr interessiert an Sprachen und lerne sie recht schnell. Als unser Sohn 2004 geboren wurde, haben wir uns entschlossen, ihn zweisprachig aufwachsen zu lassen. Meine Frau hat nur Spanisch mit ihm gesprochen und ich Deutsch. Ich wollte hier nicht zurückstehen und habe deshalb noch einmal intensiv Spanisch gelernt.
Cubela: In meiner Agentur sprechen wir Kroatisch, Russisch, Englisch und natürlich Deutsch. Meine Muttersprache ist Kroatisch, auch wenn mein spanischer Name anderes vermuten lässt. Mein Vater war früher beruflich sehr viel unterwegs, vor allem in Österreich und Deutschland. Dort haben wir ihn besucht. Dann brach im ehemaligen Jugoslawien 1991 der Krieg aus und wir sind hier geblieben. Zum Russischen kam ich über meine Frau, sie ist Ukrainerin und durch sie wurde mein Russisch immer besser. Ich konnte etwas Russisch noch aus der Schule und es ist nicht so weit entfernt vom Kroatischen. Sie müssen sich das so vorstellen wie das Verhältnis von Deutsch und Holländisch. Es hat allerdings auch Haken, denn die Wörter sind zwar oft gleich, haben aber im Kroatischen eine andere Bedeutung als im Russischen. Am Anfang kam ich da schon durcheinander, aber mittlerweile geht es gut. Meine Vertriebsassistentin ist auch Russin, also wenn ich mal nicht weiter weiß, kann ich mir profunde Unterstützung holen.
Wie kommen Sie Ihre zu Ihren ausländischen Kunden?
Schulz: Als ich 2005 mit meiner Agentur begonnen habe, kannte ich einige Leute, zum Beispiel einen Steuerberater, die Deutsch und Polnisch gesprochen haben und mit ihnen hat sich eine Zusammenarbeit entwickelt. Die Kooperation besteht heute nicht mehr, aber aus dieser Zeit habe ich noch viele polnische Kunden, die über Mund-zu-Mund-Propaganda zu mir als polnisch sprechenden Versicherungsfachmann gekommen sind. Durch sie werde ich immer weiter empfohlen. Sie sind natürlich glücklich, dass sie hier einen Vertreter haben, der ihre Belange versteht, ihnen die Produkte in ihrer Muttersprache erklären kann und ihre Wünsche gegebenenfalls ins Deutsche übersetzen kann. Heute kommt es auch vor, dass polnische Kunden im Internet nach Beratung in ihrer Sprache suchen und über den Hinweis auf meiner Homepage bei mir landen.
Cubela: Man muss sich über eines bewusst sein: Ausländische Mitbürger haben eine viel höhere Empfehlungsquote als Deutsche. Sie sind in einem fremden Land, kennen sich nicht aus und suchen natürlich Unterstützung bei Landsleuten. Da kommt dann schnell eine Empfehlung zustande. Aber alles hat zwei Seiten. Natürlich freue ich mich über die hohe Empfehlungsquote, aber die meisten die nach Deutschland kommen – und seit Kroatien in der EU ist, kommen noch mehr um hier zu arbeiten – können kein Wort Deutsch. Da wird dann eine banale Kilometerstandsabfrage schon zu einem rätselhaften Schreiben für den Kunden, und er ruft bei mir an und will sie erklärt haben. Das bedeutet für mich natürlich deutlich mehr Aufwand.
Spielt die nationale Mentalität eine Rolle im Zusammenspiel Kunde und Vertreter?
Schulz: Ich bin generell multikulturell, für mich macht es keinen Unterschied, welche Hautfarbe Menschen haben oder woher sie kommen. Ich bin für alles offen, würde in jedes Land der Welt reisen. Diese Einstellung zieht sich bei mir durch alle Bereiche meines Lebens. Natürlich kann die Mentalität einer Bevölkerungsgruppe auch Probleme machen. Mit polnischen Kunden hatte ich bislang jedoch wenig Probleme. Sie sind pünktlich, ordentlich, zuverlässig. Auch mit spanischen Kunden läuft alles glatt. Ich habe auch asiatische Kunden, die von ihrer Mentalität her ganz anders sind als die Europäer. Bei ihnen muss es oft schnell gehen und sie sind sehr konditionsbewusst.
Cubela: Natürlich gibt es Unterschiede, der Kroate zum Beispiel nimmt manches eher auf die leichte Schulter. Er lässt auch mal einen Brief liegen und wird erst dann aktiv, wenn er aufgrund des nicht gemeldeten Kilometerstands eine höhere Prämie zahlen soll. Das bedeutet, ich muss es ihm erklären und das kostet Zeit. Mittlerweile schätze ich die deutsche Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit und habe sie mir selbst zur Maxime gemacht. Ich habe zwar immer noch das große südländische Herz, aber die Lässigkeit meiner Landsleute geht mir manchmal schon gegen den Strich. Kroaten sind nicht so versicherungsaffin wie Deutsche. Sie sehen oft nicht den Sinn dahinter, zum Beispiel bei BU oder Alterssicherung. Das ist nachvollziehbar, denn in Kroatien hat fast jeder – anders als in Deutschland – eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus. Für sie ist das Absicherung genug. Aber die meisten wollen schon eine Grundabsicherung mit Haftpflicht oder Hausrat, eben Sachversicherung. Ich habe auch chinesische Kunden, weil ich in Kontakt zu chinesischen Unternehmen gekommen bin. Hier geht fast alles nur über Weiterempfehlung. Die berate ich dann auf Englisch. Die sind sehr zuverlässig und auch selbständig. Sie übersetzen sich das, was sie brauchen, selbst.
Betrachten Sie die Sprachenvielfalt in Ihrer Agentur als Geschäftsmodell?
Schulz: Nein, als Geschäftsmodell sicher nicht, aber es ist ein schöner Zusatzeffekt, der mir Kunden bringt. Ich habe genug deutsche Kunden, die mit meiner Arbeit zufrieden sind, und das Weltoffene kommt ja auch bei einheimischen Kunden gut an. Ich sehe auch die Nachteile, die mit einer Fixierung auf bestimmte Völkergruppen, verbunden sind, denn wenn sie hier einen Fehler machen, können sie ganz schnell durch die Mund-zu-Mund-Propaganda viele Kunden verlieren. Aber man kann auch tolle Abschlüsse bekommen, einfach weil man den Ruf hat, international zu sein. Ich bin mir sicher, ich hätte eine internationale Schule hier in Frankfurt nicht als Kunden gewinnen können, wenn ich nicht mehrsprachig aufgestellt gewesen wäre. Frankfurt ist sehr international, denken Sie nur an die europäische Zentralbank, die hier ansässig ist. Außerdem kann man auch Kurioses erleben: Einmal habe ich mit einem polnischen Kunden einen Termin gemacht habe, bin in dessen Drei-Zimmer-Wohnung gekommen und sah mich dort mit zehn polnischen Bauhandwerkern konfrontiert, die alle Versicherungsschutz wollten und nacheinander Fragen an mich hatten. Ich kam mir schon vor wie in einem Verhör. Aber aus diesem Termin bin ich mit 30 Abschlüssen gekommen, worauf wir natürlich mit Wodka angestoßen haben. Die Hälfte von ihnen habe ich heute noch als Kunden.
Cubela: Ja, es ist definitiv ein Geschäftsmodell, denn durch meine Sprachenvielfalt habe ich einen Mehrwert. Außerdem macht mir die Vielfältigkeit einfach Spaß. In München habe ich als ausländischer Vertreter überhaupt keine Probleme, die Stadt ist einfach weltoffen. Moosach, der Stadtteil, in dem meine Agentur liegt, hat einen sehr hohen Ausländeranteil. Es war naheliegend meine Beratung auch auf Kroatisch und Russisch anzubieten. Ich schätze, dass etwa drei Fünftel meiner Kunden Ausländer sind, vorrangig Kroaten. Außerdem habe ich Russen, Ukrainer, Chinesen, Inder und natürlich auch türkische Mitbürger als Kunden.

Juro Cubela