Der ehrliche Deutsche
Regio Südwest / / / Juni 2015
Ganze 13 Fahrräder wurden 2013 im Saarland außerhalb Saarbrückens als gestohlen gemeldet. Wir fahnden nach dem ehrlichen Menschen im kleinsten Bundesland, das Jahr für Jahr die geringste Schadenhäufigkeit beim Fahrraddiebstahl aufweist.

Unikat: Lediglich ein Fahrrad ist dem saarländischen Generalvertreter Theo Pirron als gestohlen gemeldet worden
an sieht ihn noch im Saarland, den 2CV, liebevoll Ente genannt, Kultauto der Franzosen. Denn hier wird noch repariert, geschraubt und gelötet. »Mein Schwiegervater wirft nichts weg,« beschreibt Generalvertreter Günter Morguet aus Saarlouis die Sorgsamkeit seiner Landsleute. Fahrraddiebstahl? Fehlanzeige. So wie bei Generalvertreter Stefan Dittlinger in Rehlingen. Der Klarinettist und Saxofonist findet seine Landsleute sehr bodenständig, kinderlieb, ehrlich und hilfsbereit. »Als ein Firmenkunde einen Schaden bei einem Bagger hatte, sollte die Reparatur 50.000 Euro kosten. Die Allianz hätte anstandslos gezahlt, aber dem Geschäftsführer ließ das keine Ruhe.« Er baute den Bagger auseinander und setzte ihn wieder zusammen – 2000 Euro Schaden reichte er dann bei Dittlinger ein. Der Allianz ersparte das 48.000 Euro.
Theo Pirron aus Bexbach beschreibt die Mentalität so: »Als Zugereister wird man von den Menschen angesprochen und eingeladen, sehr viel Kontakt läuft über die Vereine.« Pirron selbst singt im Gospelchor Spirituals und Choräle. Aus Lust am Singen, nicht wegen des Berufs. Und wenn dann mal der Kontakt näher geworden ist, dann kann man sich auf den anderen verlassen. »Sicherlich spielt auch das Überschaubare eine Rolle«, so Hauptvertreterin Nathalie Hoffmann aus Neunkirchen. Jeder kennt jeden, ob aus dem Verein, der Partei, der Kirche. Und aus dem Dorf sowieso. Als Grund für das ausgeprägte Zusammengehörigkeitsgefühl vermutet Theo Pirron die Historie, das hin- und hergerissen werden zwischen Deutschland und Frankreich. Mit ganz praktischen Konsequenzen. Wenn jemand mit einem fremden Kennzeichen in der Straße steht, so Nathalie Hoffmann, schauen die Nachbarn schon genau hin. Und wenn dann noch ein Fremder an der Tür nebenan klingelt und keiner macht auf, dann wird der Nachbar angerufen. Er solle doch mal schnell vorbeischauen, man hätte da was gesehen. »Die Menschen sind die Dorfzeitung«, nennt das Günter Morguet liebevoll. Klingt nach Kontrolle, ist aber reine Fürsorglichkeit.
Ein Fahrrad ist bei Theo Pirron überhaupt nur ein einziges Mal in seinem Bestand von rund 1300 Kunden geklaut worden. Woanders häufiger, natürlich, bei Kunden von ihm in Berlin oder in Baden-Württemberg. Aber im Saarland? Nein, er lacht, bis auf den einen Diebstahl kann er sich da an nichts erinnern. Wobei das Fahrrad schon bald wiedergefunden wurde. Der Kunde richtete es dann wieder her und spendete es einem sozialen Zweck. Die Allianz hat deswegen gern auf Rückgabe des Bikes verzichtet. Und der Kunde wollte die Entschädigung der Allianz gar nicht so richtig haben. War sowieso nur ein kleiner Blechschaden, da macht man kein Aufhebens im Saarland. Auch nicht bei der Schadenmeldung, da greift man selbst zum Pinsel und nur der Farbeimer wird abgerechnet. Weil ja auch der Nachbar mit angepackt hatte. »Offenherzig, freundlich und hilfsbereit« charakterisiert Nathalie Hoffmann die Menschen. Und Häuslebauer. Die Eigenheimquote liegt noch höher als im Ländle, da können die vier von der Saar kaum ihren Stolz verbergen. Weiter westlich der Saar, im französischen Lothringen, gibt man das Geld für Essen aus, östlich für die eigenen vier Wände. Das vermittelt Sicherheit und Bodenständigkeit, Psychologie aus Stein und Mörtel.
Die Menschen im Saarland sind nicht nur ehrlich. Wenn man sie braucht, sind sie da. Und wenn man sie nicht braucht, sind sie einfach nur offen, freundlich und fürsorglich. Wer hier wohnt, geht nicht weg. Würde ein Filmteam eine Story über den ebenso ehrlichen wie sympathischen Deutschen drehen wollen, es würde in Rehlingen, Saarlouis, Bexbach und Neunkirchen die Kamera laufen lassen. Ganz ehrlich.